Gefundenes

„Das Ausschütten des Inhalts auf das gefaltete Blatt war mit der meisten Spannung verbunden, der Moment, in dem alles noch möglich war. (…)
Die Chipsverpackung mit dem Hinweis auf der Vorderseite, dass sie Flippos enthielt, strich er glatt. Danach klebte er sie mit ablösbarem Tape in Skizzenheft Nummer 10. Unten auf die Seite schrieb er, welche Flippos die Verpackung enthalten hatte, das Datum sowie die Uhrzeit und den Ort des Erwerbs. Es war ein Logbuch- wenn er schon nicht die größte Sammlung haben konnte, dann wenigstens die vollständigste und detaillierteste.“
(Lize Spit (2023): Der ehrliche Finder. Fischer Verlag.)

Als Sammelnde geben wir bestimmten Objekten und Dingen eine Bedeutung unabhängig von ihrem materiellen Wert, die sich nicht übertragen lässt.
Wir bewegen uns aufmerksam und nehmen unsere Umgebung mit allen Sinnen war. Das ist die Haltung eines Suchenden.
Sobald wir fündig werden bringen wir unsere Fundsache in einen bestimmten Kontext. Der Fundsache wird ein subjektiver Wert zugemessen. Trägt sie für uns einen hohen Wert dann hat sie Glück und erhält möglicherweise einen ganz besonderen Platz in unserer Sammlung wie bspw. eine Kiste mit extra dafür gebastelten Einteilungen, ein Stickeralbum, ein Schuhkarton, der zu einem Regal umfunktioniert wurde.

Kinder haben die Eigenschaft zur Vermenschlichung, durch die zum Beispiel Tieren menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Sie ist wichtig, um eine emotionale Bindung herzustellen, da es Kindern leichter fällt die eigenen Verhaltensweisen zu übertragen, als zu versuchen etwas Fremdes in seinen Eigenarten zu verstehen.1

Die Fähigkeit zur Vermenschlichung kann auch genutzt werden, um leblose Dinge und Objekte lebendig werden zu lassen, indem ihnen Eigenschaften und Geschichten zugeschrieben werden. Das, was einst ein unscheinbarer Stein oder ein verlorener Schlüssel war wird zum Geschichtenträger.

Mit diesem Hintergrund haben wir uns das Bilderbuch „Die Fundsache“ von Shaun Tan angeschaut. Auf der Suche nach Kronkorken entdeckt der Hauptcharakter des Buches eine seltsame Fundsache. Also macht er es sich zur Aufgabe einen geeigneten Ort für jene Fundsache zu finden.
Ausgehend von der Geschichte greifen wir in einen Beutel und ziehen eine Fundsache hervor. Einer zieht einen abgebrochenen Drachenflügel aus Plastik, eine ein altes Aufnahmegerät.

Wir setzen uns in Bezug zu dem fremden Objekt, versuchen eine Beziehung herzustellen und überlegen gemeinsam:
Wo könnte die Fundsache herkommen?
Welche Geschichte hat sie zu erzählen?
Wie fühlt es sich an? Wie riecht es? Kann man Geräusche damit machen?

Der Drachenflügel wird zum Überbleibsel eines aufregenden Abenteuers, ein alter Schlüssel hat einst zu einem mächtigen Schloss gehört.

Besonders ist, dass der Umgang mit etwas Unbekanntem immer auch ein Spiegel unserer eigenen Perspektiven, Erfahrungen und Vorstellungen ist. Durch den Bezug auf die Fundsache wird gleichzeitig Distanz bewahrt zu der eigenen Person, unseren Wünschen, Ideen und Vorstellungen.

  1. Piaget, Jean (o.A.): Das Entwicklungsstufenmodell nach Piaget, URL: http://www.lern-
    psychologie.de/kognitiv/piaget.htm (01.10.2023)
    . ↩︎



Ort: Evangelische Grundschule Babelsberg
Projektleiterin: Anna Jahn (Kunstlehrkraft)
Gruppe: 4. Klasse (27 Schülerinnen)
Zeitraum: Okt. 2023
Bilderbuch: Die Fundsache von Shaun Tan